Mehr als nur Sechseläuten – die Zürcher Zunft zur Schmiden: Geschichte, Besonderheiten und Bezug zum ursprünglichen Handwerk bei der Schmiedezunft von Zürich.
Ambos mit Deko-Elementen aus dem Zunftwappen
In keiner anderen Stadt wird die Zunfttradition so prominent gefeiert wie in Zürich. Bekannt sind die Zürcher Zünfte sind vor allem für das Sechseläuten – den Umzug mit dem Verbrennen des «Bööggs».
Wahrscheinlich haben Sie auch als Nicht-Zürcher mitbekommen, dass die Verbrennung dieses Jahr wegen Starkwind verschoben und schliesslich im Gastkanton Appenzell Ausserrhoden stattfand. Und vielleicht auch, dass die Explosion der Figur besonders lange dauerte und der Legende nach das Wetter diesen Sommer deshalb äusserst schlecht werden sollte. Dem farbenfrohen Umzug tat dies jedoch keinen Abbruch, und im Anschluss besuchten sich wie jedes Jahr die Angehörigen der 25 Zünfte gegenseitig in ihren Zunfthäusern.
Täferwand mit Wappen der Zunftfamilien
Einzigartig: das Zunfthaus zur Schmiden
Sitz der Schmiedezünfter ist das Zunfthaus zur Schmiden an der Marktgasse 20 im Zürcher Niederdorf. Und dies bereits seit 1412, als die Schmiedezunft das Haus «Zem guldin Horn» erwarb. «Das ist absolut einzigartig», erklärt Zunftmeister Jürg Honegger. Keine andere Zunft in Zürich besitzt das gleiche Gebäude seit dem Mittelalter und konnte ihren Besitz während der Besatzung durch Napoleons Truppen erhalten.
Vorne rechts im grossen Zunftsaal prangen zwei Wappentafeln, dazwischen zwei verschlossene Flügeltüren. Geöffnet werden diese nur an Anlässen der Zunftgesellschaft. Dann kommt dahinter der Regimentsspiegel aus dem Jahr 1656 zum Vorschein. Auf einer Spirale führt sie die Wappen und Daten aller Zunft- und Bürgermeister, Zwölfer, Räte und Ratsherren bis zur Französischen Revolution auf.
Metallbau- und Hufschmiede zu Gast
Mitglieder von AM Suisse, namentlich der Regionale Fachverband Metaltec ZH/SH sowie Farriertec Suisse, haben des Öfteren die Ehre, im «schönsten Saal von Zürich» zu Gast zu sein. Zunftmeister Honegger gibt bei dieser Gelegenheit gerne einen Einblick in die lange Geschichte der Zürcher Zunft zur Schmiden.
Der gotische Zunftsaal, 1520 erbaut, beeindruckt mit kunstvollen Pfeilern, Säulen und ziervollen Fenstern mit historischen Wappen. Den üppigen Ausbau konnte sich die Schmiedezunft vor allem deshalb leisten, weil sie dank ihrem Monopol auf den Handel mit Kohle zu einer der reichsten Zürcher Zünfte geworden war. Die prächtige Holzdecke mit den geschnitzten Rosetten wurde gesetzeswidrig von einem ausserkantonalen Schnitzer aus Rapperswil SG gefertigt. «Dafür musste die Zunft eine saftige Busse bezahlen», erzählt Zunftmeister Honegger.
Vom Mittelalter zur Französischen Revolution
Die Rolle der Zünfte legte in Zürich erstmals Rudolf Brun im Jahre 1336 schriftlich fest. Dieses Jahr gilt denn auch als Gründungsjahr der Zunft zur Schmiden. Der Schmiedezunft gehörten die Eisen-, Kupfer- und Silberschmiede, die Kannen- und die Glockengiesser, Schlosser, Spengler und Uhrmacher an. Und ausserdem – wie andernorts auch – die Bader und Scherer. Diese übernahmen ärztliche Hilfsfunktion, etwa für einfache chirurgische Eingriffe wie das Einrenken von Gliedern, Massieren und Schröpfen. Ärzte, Apotheker und Coiffeure gelten heute als deren Nachfolgeberufe. Mit den anderen Zunftangehörigen hatten sie eines gemeinsam: Ihre Werkzeuge – Zangen, Scheren, Sägen (!) – bestanden aus Metall.
Zunftschatz und Gottfried Kellers Johannisnacht
Der Hufschmied Hans Schwyzer war von 1501 bis 1519 Zunftmeister und Pannerherr, sprich: führender Fahnenträger im Militär, unter anderem in der Schlacht von Marignano 1515 und der Schlacht bei Kappel, wo er 1531 fiel – mit dem «Panner» (Banner) in der Hand. Der Zürcher Stadtschreiber und Schriftsteller Gottfried Keller inszenierte diese Geschichte in einem Theaterstück mit dem Titel «Johannisnacht». Dieses Stück wird alle zehn Jahre von den Zünftern als Laientheater im Zunftsaal aufgeführt. 2025 ist es wieder soweit.
Ein pokalförmiger Becher mit einer Figur von Pannerherr Schwyzer gehört heute zum Zunftschatz. In anderen Zünften wird der Schatz oft in einem städtischen Museum aufbewahrt – nicht so bei den Zürcher Schmiedezünftlern. Dort lagert der Zunftschatz im hauseigenen Tresor. So kann das Zunftgeschirr mit wenig Aufwand für wichtige Anlässe hervorgeholt und genutzt werden.
Der Ursprung des Sechseläutens
Mit der Besatzung durch die Franzosen ab 1798 (der Helvetik), wurden die Zürcher Zünfte entmachtet und aufgelöst. Zwar wurden «Zünfte» bei der Restauration 1803 dem Namen nach wieder eingeführt, sie hatten aber lediglich die Funktion von Wahlkreisen. Ihrer politischen Bedeutung beraubt, wandten sich die Zünfter eher den zeremoniellen und geselligen Aktivitäten zu. Junge Zünfter begannen mit abendlichen Umzügen, ihren Zusammenhalt zu feiern. Daraus entwickelte sich das «Sechseläuten», welches 1839 erstmals unter diesem Namen durchgeführt wurde.
Die Zunft zur Schmiden heute
Die Zünfte blieben als Vereinigungen erhalten, die sich der Pflege von Tradition und Geschichte widmen und die Verbindungen untereinander in diesem Rahmen stärken. Der Zunft zur Schmiden gehören maximal 150 Personen an. Normalerweise handelt es sich um Nachkommen, die zwischen dem 25. und 45. Lebensjahr aufgenommen werden. Jeder vierte Zünfter wird von «ausserhalb» aufgenommen. Meistens handelt es sich dabei um Freunde, Bekannte oder angeheiratete Verwandte der Zünfter, die besondere Freude am alten Handwerk, der Arbeit mit Eisen und anderen Metallen haben. Für die Aufnahme müssen die Kandidaten ein «Gesellenstück» herstellen, ein selbstgefertigtes Objekt aus Metall. Eine wichtige Rolle spielt laut Zunftmeister Honegger die Rhetorik: Bei der Aufnahmezeremonie geben die neuen Zünfter eine lustige Rede zum Besten.
Lebendiges Handwerk in der «Schmitte»
Die Zunft zur Schmiden betreibt seit 1975 eine eigene «Schmitte», um das ursprüngliche Handwerk wieder aufleben zu lassen. Seit 1987 befindet sich diese auf dem Werksareal der Integra-Siemens in Wallisellen. Dort steht den Mitgliedern des Handwerks alles für die Metallverarbeitung auf die traditionelle Weise zur Verfügung: Essen, diverse Öfen für Öl- und Elektrobetrieb, mechanische Hämmer, Zangen, Ambosse, aber auch moderne Lagervorrichtungen und Schutzausrüstung. Alle 14 Tage treffen sich dort die Handwerker der Zunft in kleineren Gruppen. Gäste anderer Zünfte oder nahestehende Personen können unter Anleitung eines erfahrenen Handwerksgesellen die Grundlagen des Schmiedens erlernen. Jährlich werden mehrere Spezialanlässe durchgeführt, bei dem es um die praktische Arbeit mit Eisen geht – darunter das «Buebe- und Meitlischmieden», ein Damenschmieden und ein Familienanlass. Das gesellige Beisammensein bei Speis und Trank darf als Abschluss solcher Anlässe nicht fehlen.
Zunft zur Schmiden, Zürich