03.12.18 - Handwerk hat goldenen Boden. Diese Aussage stimmt, wenn man die aktuelle Auslastung in der Baubranche anschaut. Die Herausforderungen werden aber nicht kleiner.
Handwerk hat goldenen Boden. Diese Aussage stimmt, wenn man die aktuelle Auslastung in der Baubranche anschaut. Die Herausforderungen werden aber nicht kleiner. Insbesondere die Digitalisierung wird die Stahl- und Metallbaubranche auf den Kopf stellen, darüber sind sich Branchenexperten einig. Eine Standortbestimmung.
Viel Arbeit, viel Volumen und eine sehr gute Auslastung, so bringt es Patric Fischli-Boson, der Leiter des Stahlbau Zentrums Schweiz SZS, auf den Punkt. «Der Baubranche geht es sehr gut, es wird so viel gebaut wie selten und die Wirtschaftslage ist gut.» Ins gleiche Horn bläst Andreas Steffes, der Geschäftsführer der Stahlpromotion Schweiz: «Die Preise haben sich dank des Abschwächens des Frankens erholt, wir sind auf Kurs.» Beschäftigt hat die Branche auch die Einführung der europäischen Norm EN 1090, wie Marc Harzenmoser, der Direktor des Schweizerischen Vereins für Schweisstechnik, sagt: «Diese hat zusätzliche Kosten bei der Schulung und Qualifizierung generiert, aber auch zu einer höheren Produktqualität geführt.» Damit sei die Branche für künftige Herausforderungen deutlich besser gerüstet.
Nach der kurzen Standortbestimmung macht Patrick Fus, der Leiter des Fachverbandes Metaltec Suisse, klar: «Die Digitalisierung wird alles auf den Kopf stellen. Wer bereit ist, laufend das Geschäftsmodell anzupassen, wird die zukünftigen Herausforderungen meistern. Wer sich dieser Entwicklung entziehen will, hat einen schweren Stand.»
Alle sind sich einig: Die Digitalisierung ist die grösste Herausforderung für die Branche. Der Sprung vom Handwerksbetrieb hin zur digitalisierten Werkstatt birgt viele Risiken, sagt Fischli-Boson. Er betont insbesondere das grosse Investitionskapital, das dafür nötig ist: «Nach schwierigen Jahren fehlt in vielen Betrieben das nötige Polster. Sie müssen in die Ausbildung der Mitarbeitenden und in neue Technologien investieren, das ist kostenintensiv.»
Die Werkstatt der Zukunft
Wie sieht die digitalisierte Werkstatt aus? Hochtechnologisierte CNC-Maschinen übernehmen in Zukunft Arbeiten wie schweissen, schleifen, schneiden oder bohren. Insbesondere bei Serienfertigungen ist diese Entwicklung spürbar. Die Folge – seriell hergestellte Produkte werden ins Ausland ausgelagert, da die Anschaffung der Maschinen teuer ist. Diese Entwicklung ist schon heute spürbar. Patric Fischli-Boson ergänzt: «In Stahlbauunternehmen wird die Montage und das Planungsbüro viel wichtiger. Zudem werden Logistik- und Transportfragen zentral.» Für Andreas Steffes stellt sich die Frage, wie sich die Wertschöpfungskette neu organisieren wird. Er sieht aber auch die Chancen: «Durch die Eurokrise haben wir Produktionsbetriebe ins Ausland verloren. Eine intelligente Vorfabrikation, digitale Lösungen und die Zusammenarbeit mit dem Handel bieten dem Hersteller heute aber auch eine attraktive Lösung in der Schweiz.»
Patrick Fus ist sich sicher, dass die handwerklichen Fähigkeiten auch in Zukunft gefragt sein werden, es würde sich nicht alles automatisieren und digitalisieren lassen. Trotzdem müsse sich der Handwerker zwingend mit der Digitalisierung anfreunden. Für Marc Harzenmoser ist klar, dass die Digitalisierung ein mächtiges Werkzeug ist: «Für die Umsetzung muss aber jede Unternehmung ihr eigenes Optimum finden und dabei die Produktivität im Fokus behalten.» Die Experten sind sich einig, dass sich kleine und mittlere Handwerksbetriebe Nischen suchen müssen. Sprich, sich auf individuelle Anfertigungen konzentrieren, die keine Maschine übernehmen können.
Attraktive Berufe dank der Digitalisierung
Die Digitalisierung wird also die klassische Werkstatt auf den Kopf stellen und damit auch die Berufsbilder. Dies sehen die Fachleute klar als grosse Chance: «Das duale Bildungssystem stellt eine gute Grundlage für den Umgang mit der Digitalisierung dar, die Qualität der Ausbildung ist hoch.», sagt Patric Fischli-Boson. Andreas Steffes fordert in Sachen Ausbildung eine andere Perspektive: «Ich höre oft, dass die Qualität der Lernenden zu wünschen übrig lässt. Ich glaube eher, dass wir die Perspektive wechseln müssen. Die Ausbildungen werden immer komplexer und der Lernprozess muss laufend den Veränderungen angepasst werden. Praxisorientiertes Lernen wird wichtiger.» Dem stimmt auch Marc Harzenmoser zu: «Das Angebot an Aus- und Weiterbildungen muss laufend angepasst werden und gerade E-Learning spielt immer eine wichtigere Rolle.»
Die Arbeit geht weg vom Handwerklichen, hin zum Digitalen. Das sei eine Chance, ist sich Patrick Fus sicher: «Handwerkliche Berufe haben bedauerlicherweise einen schlechten Stellenwert in unserer Gesellschaft. Wenn es uns gelingt mit dem Einsatz neuer Technologien unsere Berufe attraktiver zu machen, wird sich dies ändern.»
Die Voraussetzungen sind also gut. Die Branchenexperten wünschen sich für die Zukunft vor allem eines: «Leute mit Herzblut!», sagt Patric Fischli-Boson wie aus der Pistole geschossen. Auch Andreas Steffes plädiert für mehr Leidenschaft: «Ich wünsche mir grundsätzlich, dass wir mit mehr Achtsamkeit durchs Leben gehen. Wir sind durch unsere Art zu konsumieren gleichgültig geworden. Nehmen wir mal den Stahl: Ohne ihn wäre das Leben, das wir heute führen gar nicht möglich.»
Erschienen in der Beilage «Stahl» vom 15.11.2018 der Handelszeitung
Text: Regula Baumgartner